Afrika Kolloquium Work-in-progress: Die „Mbembe-Debatte“ im Kontext - Verdrängte Solidaritäten zwischen afrikanischen und palästinensischen Akteuren

18.01.2022 17:30

Birgit Englert

Dienstag, 18. Jänner 2022, 17.30 Uhr

Online: im Moodle des Instituts für Afrikawissenschaften

 

Ausgangspunkt der im Frühjahr 2020 entflammten „Mbembe-Debatte“, die sich vor allem in deutschsprachigen Medien über Monate entfaltete, waren Texte des Historikers und politischen Philosophen Achille Mbembe, in denen er auf das Leid von Palästinenser:innen aufmerksam machte. Dem aus Kamerun stammenden und an der Witwatersrand-Universität in Südafrika tätigen Wissenschaftler wurde eine Nähe zur seit 2005 bestehenden Boykott-, Desinvestitions- und Sanktionsbewegung (BDS) vorgeworfen. Diese wird in Österreich und Deutschland, wie auch in anderen europäischen Ländern, seit Jahren als „antisemitisch“ dargestellt und mittels Anti-BDS-Beschlüssen aus dem öffentlichen Raum gedrängt. Eine Auseinandersetzung mit palästinensischen Positionen wird dadurch maßgeblich erschwert – ein Kontext, der sich auch auf Forschungen zu damit verbundenen Themen auswirkt.
In einem seiner kritisierten Texte, benennt Mbembe die Verdrängung als Vorgangsweise derer, die den Status quo in Palästina und Israel aufrechterhalten wollen. Ironischerweise setzte sich die Verdrängung palästinensischer Stimmen und Positionen auch in der sogenannten „Mbembe-Debatte“ selbst fort. So fanden die historischen und politischen Bedingungen, welche die von Palästina ausgehende transnationale BDS-Kampagne hervorgebracht haben, wenig Beachtung. Sowohl die direkte Bezugnahme von BDS auf die erfolgreiche südafrikanische Anti-Apartheid-Kampagne sowie die breite Unterstützung, die BDS insbesondere in Südafrika erfährt, wurde selten thematisiert. Letztere kann auf die Erfahrungen mit Landnahmen und institutionalisierter Diskriminierung zurückgeführt werden – sowie auf die Erfahrung, dass eine internationale Boykottkampagne dazu beigetragen hat, die internationale Gemeinschaft zu sensibilisieren und das Apartheidsystem im eigenen Land zu beenden.
In diesem Vortrag werden ausgehend von der „Mbembe-Debatte“, die Bezüge zwischen afrikanischen und palästinensischen Akteuren in Geschichte und Gegenwart skizziert und verdrängte Solidaritäten in den Mittelpunkt gestellt. Es wird argumentiert, dass das Sich- Einlassen auf die Solidaritätsbeziehungen zwischen afrikanischen und palästinensischen Akteur:innen eine Möglichkeit darstellt, der eurozentrischen Sichtweise auf die Debatte im Speziellen und Palästina im Allgemeinen ein Stück weit zu entkommen.

Birgit Englert ist Assoziierte Professorin für afrikanische Geschichte und Gesellschaft am Institut für Afrikawissenschaften der Universität Wien. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen Landrechte, Populärkulturelle Praktiken, Translokalität und Mobilität sowie Qualitative Methoden. Derzeit arbeitet sie an einer Geschichte der verflochtenen Solidaritäten zwischen Akteuren in afrikanischen Ländern und Palästina.

Online: im Moodle des Instituts für Afrikawissenschaften
https://univienna.zoom.us/j/91860716326?pwd=WlQwRW9xbXpEVGJDeEpEaWNaajlRQT09