Gastvortrag "Jugend in Bewegung. Mobilität in Ghana (1998 bis 2006)"

11.04.2019 11:15

Dr. Astrid Bochow (Georg-August-Universität Göttingen) präsentiert ihre Forschung in der VO "Jugend und Populärkultur in Afrika".

Jugend wird in der soziologischen Literatur als ein Lebensabschnitt charakterisiert, in dem junge Menschen daran arbeiten, ihre Zukunft zu gestalten. Daher wird Jugend in der sozialwissenschaftlichen Literatur einerseits mit „Aufbruch“ und gesellschaftlicher Neuerung in Verbindung gebracht. Andererseits betont diese Forschung die Verwundbarkeit und Abhängigkeiten von jungen Menschen, z.B. von ihrer Familie, von ihrer sozialen Position, von der Politik und von Arbeitsmärkten.

Diese Spannung zwischen Unabhängigkeitsstreben, Neuerungswillen und Abhängigkeit soll Thema meines Beitrags sein. Auf der Grundlage meiner Feldforschungen beschreibe ich das Leben von Jugendlichen in Kumasi und Accra in den Jahren 1998 bis 2006. Die Migration in ein Land des globalen Nordens stand im Mittelpunkt ihrer Lebensziele und Aspirationen, denn auszureisen versprach ihnen den Zugang zu lukrativen Arbeitsmärkten. Ihr Ziel war es, genügend Kapital für einen Hausbau und die Eröffnung eines Geschäfts zusammenzusparen, um eine Familie zu gründen und ernähren zu können und ein respektiertes Mitglied der Gesellschaft zu werden.

Dieser Trend lässt sich geschichtlich einordnen. Die Region blickt auf eine lange Geschichte regionaler und überregionaler Mobilität zurück. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts, beispielsweise, verbanden junge Männer und Frauen mit der Migration in wirtschaftliche Zentren und in die Städte mehr finanzielle und damit soziale und persönliche Unabhängigkeit. Die gegenwärtigen Migrationsvorhaben junger Menschen im urbanen Ghana werden jedoch häufig von ihren Familien finanziert. Ich argumentiere, dass die räumliche Mobilität einzelner Familienmitglieder eine Neuinterpretation von etablierten Familienstrukturen matrilinearer Verwandtschaft darstellt. Familie wird zur emotionellen und finanziellen Ressource. Damit stellt das Migrationsvorhaben junge Menschen in eine Spannung zwischen Unabhängigkeitsstreben und Abhängigkeit von ihren Familien.

Astrid Bochow studierte Ethnologie und Germanistik in Marburg und Berlin und promovierte im Fach Ethnologie an der Universität Bayreuth. Im Rahmen ihrer Promotion forschte sie zu Jugend, Familie und Religion in den Jahren 2004 bis 2006 in Kumasi, Ghana. Seither sind zahlreiche Artikel in renommierten Fachzeitschriften und Sammelbänden auf Deutsch und Englisch sowie eine Monographie zu Jugend in Kumasi im LIT Verlag aus dieser Forschung erschienen. Nach ihrer Promotion forschte sie in Botswana zu Familie, Gesundheit und Aktivismus unter Angehörigen der gebildeten Mittelschicht.

Organiser:
Institut für Afrikawissenschaften, Birgit Englert & Katharina Gartner
Location:
Seminarraum 1