Nachruf emer. o. Univ.-Prof. Dr. Norbert Cyffer (1943-2025)

12.03.2025

In tiefer Trauer nehmen wir Abschied von unserem Kollegen und Freund Norbert Cyffer, der am 12. März 2025 unerwartet von uns gegangen ist. Mehr als 30 Jahre lang war er ein hoch geschätzter und gern gesehener Kollege am Institut für Afrikawissenschaften der Universität Wien.

Norbert Cyffer wurde am 16. Mai 1943 in Dortmund geboren. Nachdem er in den 1960er Jahren eine private Reise vom nördlichsten zum südlichsten Punkt des afrikanischen Kontinents unternommen hatte, entschloss er sich 1965, an der Universität Hamburg Afrikanistik zu studieren. Dort bekam er von seinem Doktorvater, dem damaligen Direktor des Seminars für Afrikanische Sprachen und Kulturen, Johannes Lukas, Kanuri-Materialien zur Bearbeitung. Dies war der Beginn von Norbert Cyffers lebenslanger passionierter Beschäftigung mit dieser Sprache. Um Daten für seine Dissertation Syntax des Kanuri zu erheben, trat er 1968 seine erste Feldforschungsreise nach Maiduguri im Nordosten Nigerias an, wo er sich fünf Monate lang hauptsächlich der Aufnahme und Analyse oraler Kanuri-Texte unterschiedlicher Genres widmete. Im Februar 1974 schloss er seine Dissertation ab.

Schon zwei Monate danach trat Norbert Cyffer eine Stelle als research fellow am Centre for the Study of Nigerian Languages (CSNL) an der Ahmadu Bello University (Kano Campus, Nigeria) an. Sein erstes größeres Projekt am CSNL war das Erstellen eines Kanuri-Englisch Wörterbuchs zusammen mit seinem amerikanischen Kollegen John P. Hutchison, das einen beachtlichen Beitrag zur Kanuri-Sprachforschung bildete. Die beiden Linguisten konnten in Maiduguri, dem Zentrum der Kanuri-Gesellschaft, ein Forschungsbüro etablieren. Da sie während dieser Zeit im Stadtteil Gamboru lebten, wurden ihnen die Kanuri-Namen, unter denen sie später auch teilweise publizieren sollten, Ali Gamboru (Norbert Cyffer) bzw. Tijani Gamboru (John P. Hutchison) verliehen. Auch unter den Eliten der Kanuri-Gesellschaft entstand ein Interesse daran, die Weiterentwicklung der Kanuri-Sprache voranzutreiben; 1975 wurde vom Council des Borno-Emirats das Kanuri Language Board (KLB) ins Leben gerufen. Norbert Cyffer und sein Kollege John P. Hutchison waren maßgeblich an der Entwicklung einer einheitlichen Kanuri-Orthografie beteiligt. Ihr zweiter Entwurf, 1975 fertiggestellt, wurde schon wenige Monate danach offiziell als Standard Kanuri Orthography (SKO) anerkannt und schließlich 1979 publiziert.

In den 1970er Jahren war die nigerianische Regierung bemüht, nigerianische Sprachen verstärkt als Medium im Unterricht an den Schulen einzuführen. Als dann 1976 die University of Maiduguri gegründet wurde, engagierte sich Norbert Cyffer, neben weiteren Arbeiten zu Wörterbuch und Orthografie, zunehmend innerhalb der Kanuri Research Unit an dem neu eröffneten Department of Languages and Linguistics. Neben der Fortsetzung der Grundlagenforschung lag der Schwerpunkt seiner Arbeit damals auf der Entwicklung der Kanuri-Lehre auf universitärer Ebene (BA- und MA-Kurse), sowie der Lehrerausbildung. Viele der heutigen Professor*innen des Kanuri an der Universität Maiduguri waren damals seine ersten Studierenden.

Im Jahr 1981 kehrte Norbert Cyffer nach Deutschland zurück, wo er im Jahr darauf als Professor für Afrikanische Philologie am Institut für Ethnologie und Afrikastudien an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz berufen wurde. Seine Forschungsarbeiten in Nordosten Nigerias rückten wieder in den Mittelpunkt, als er 1990 bei dem an der Universität Frankfurt angesiedelten Sonderforschungsbereich (SFB) Kulturentwicklung und Sprachgeschichte im Naturraum Westafrikanische Savanne an dem Teilprojekt Wandel und Kontinuität von Sprache, Literatur und Musik in der Tschadsee-Region mitarbeitete.

1994 wurde Norbert Cyffer zum ordentlichen Professor am Institut für Afrikanistik der Universität Wien berufen. Diese Zeit war vor allem durch zwei von ihm geleitete FWF-Forschungsprojekte geprägt, in denen er sich auf das Thema Sprachkontaktforschung in Nordostnigeria fokussierte: Sprachliche Innovation und Konzeptwandel in Westafrika und Dynamik sprachlichen Wandels in Nordostnigeria. In enger Zusammenarbeit mit der Universität Maiduguri konnte er während mehrerer Forschungsaufenthalte in Nigeria entscheidende Beiträge zur Kanuri-Forschung leisten. Dass seine wissenschaftliche Arbeit auch innerhalb der Gesellschaft der Kanuri Anerkennung fand, zeigt sich darin, dass der Shehu of Borno ihm als Europäer im Jahr 2005 den Titel Shettima Luggama Kanuribe (Berater zur Kanuri-Sprache) verliehen hat.

Auch nach seiner Emeritierung 2011 blieb Norbert Cyffer dem Institut für Afrikawissenschaften verbunden. Zwischen 2012 und 2017 leitete er sein letztes FWF-Projekt Understanding and Misunderstanding Grammar - The Perception of Grammatical Categories in the Languages of the Lake Chad Area. Die Arbeiten aus diesem Forschungsprojekt gipfelten in seinem Opus Magnum, einer monumentalen Grammatik des Kanuri, die er gemeinsam mit einem seiner ersten Studenten an der Universität Maiduguri, Umara Bulakarima, verfasst und 2023 im Rüdiger Köppe Verlag publiziert hat.

Norbert Cyffer bleibt uns nicht nur als hervorragender Wissenschaftler in Erinnerung, sondern auch als ein vielseitig interessierter Mensch, guter Freund und Kollege. Während seiner Zeit in Maiduguri konnten viele Kolleg*innen seine Gastfreundschaft in seinem immer offenen Haus in Anspruch nehmen. Ob bei einem Bier oder einem Glas Wein, Norbert Cyffer war immer ein interessanter und humorvoller Gesprächspartner, der auch stets einen Witz zu erzählen wusste. Unvergesslich bleiben die von ihm maßgeblich organisierten Workshops im Schloss Gumpoldskirchen, nahe seinem Wohnort in den Weinbergen südlich von Wien. Den Mitarbeiter*innen und vielen Student*innen werden auch die von ihm höchstpersönlich gebackenen Apfeltorten, die bei jeder Feier am Institut fixer Bestandteil waren, stets in guter Erinnerung bleiben.

Wir, die Kolleg*innen des Instituts für Afrikawissenschaften, ehemalige Mitarbeiter*innen und seine ehemaligen Studierenden, trauern um diesen liebevollen und herausragenden Menschen, der am 12. März 2025 unerwartet von uns gegangen ist.

Georg Ziegelmeyer


Nachruf - Phonogrammarchiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften: 
https://www.oeaw.ac.at/phonogrammarchiv/detail/norbert-cyffer (Clemens Gütl)

Nachruf - Deutsche Welle (Abubakar Said Saad, 18.03.2025):
https://www.dw.com/en/the-nigerian-linguist-who-brought-europe-and-africa-closer/a-71959335

Nachruf - Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
https://phil-kult.univie.ac.at/news/aktuelle-meldungen/nachruf-norbert-cyffer/

© Norbert Cyffer