Ende des 19. Jahrhunderts war das deutsche Kaiserreich die viertgrößte Kolonialmacht mit Gebieten vor allem in Afrika, aber auch in China und der Südsee. Die Fremdherrschaft bediente sich keinesfalls zimperlicher Mittel der Unterwerfung und der Brechung des autochthonen Widerstands. In „Deutsch Südwestafrika“ wurde der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts verübt. Doch deutsche Erinnerungsarbeit widmet sich nur allmählich und zögerlich der kolonialen Gewaltgeschichte, zuerst durch bilaterale Verhandlungen mit der Regierung des heutigen Namibia. Ein vereinbartes „Versöhnungsabkommen“ ist von Versöhnung allerdings weit entfernt.
Der Vortrag skizziert die lang andauernde koloniale Amnesie, zivilgesellschaftliche postkoloniale Initiativen und die allmähliche Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit kolonialer Erblast. Anhand der Fallstricke der deutsch-namibischen Verständigung wird abschließend gezeigt, wie auch weiterhin eine tendenziell koloniale Mentalität reproduziert wird.
Henning Melber ist am Nordic Africa Institute in Uppsala/Schweden, als Extraordinary Professor an der Universität Pretoria und der Universität des Freistaats in Bloemfontein und Senior Research Fellow des Institute for Commonwealth Studies der Universität London tätig. Als Sohn deutscher Einwanderer trat er 1974 der antikolonialen Befreiungsbewegung SWAPO in Namibia bei.
Mittwoch, 11. Oktober 2023, 19:00 Uhr
Institut für Afrikawissenschaften - Seminarraum 1
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